Telegram gibt Nutzerdaten an deutsche Behörden weiter

Der bekannte Messenger-Dienst Telegram hat angeblich in einigen Fällen Datenanfragen deutscher Behörden entsprochen.

Telegram ist eine der beliebtesten Messaging-Apps weltweit. Der Dienst hat sich den Ruf erarbeitet, die Privatsphäre der Nutzer besonders zu schützen. Allerdings hat sich der Anbieter dem Druck deutscher Ermittler gebeugt und Nutzerdaten in Fällen von Terrorismus und Kindesmissbrauch herausgegeben, wie ein neuer Bericht der Nachrichtenplattform „Der Spiegel“ zeigt.

Telegram sammelt Nutzerdaten

Telegram verspricht, die Daten seiner Nutzer sicher und privat zu halten. Dies soll selbst bei Chats der Fall sein, die nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt sind (was standardmäßig der Fall ist). Das Unternehmen sagt, dass es die Nutzerdaten sicher verwahre, indem die Informationen auf einer verteilten Infrastruktur gespeichert werden. Bei entsprechenden Anfragen sind so die Gerichtsbarkeiten verschiedener Länder erforderlich. Das hindert Telegram selbst jedoch nicht daran, auf die Daten zuzugreifen.

Das ist auch nicht die einzige Art von Daten, die der Anbieter sammelt. Dem Spiegel-Bericht zufolge speichert Telegram auch die Telefonnummer, die IP-Adresse und andere persönliche Daten von jedem, der den Dienst nutzt. Dieser rühmt sich öffentlich damit, dass er niemals irgendwelche Daten dieser Art an Behörden weitergegeben hat, aber Quellen, mit denen „Der Spiegel“ in Kontakt getreten ist, behaupten das Gegenteil.

Datenschutz ist keine eingebaute Funktion

Trotz der Tatsache, dass die meisten Nachrichten auf Telegram nicht verschlüsselt sind, hat sich der Dienst als sicherer Messenger positioniert, der eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bietet. Dies hat den falschen Eindruck erweckt, die Plattform sei eine sichere Alternative zu Diensten wie Signal oder auch WhatsApp.

In Wirklichkeit sind die Nachrichten nicht verschlüsselt, es sei denn, es wird die Funktion „Geheimen Chat starten“ aktiviert. Diese Option ist nur für Einzelnachrichten in der mobilen App verfügbar. Moxie Marlinspike, der Kopf hinter Signal, twitterte über den mangelnden Datenschutz und die Datenerfassungspraktiken von Telegram.

Auch wenn Signal ein direkter Konkurrent ist und seine Meinung dadurch gefärbt ist, hat Marlinspike Recht, wenn er sagt, dass Telegram kein verschlüsselter Messenger sei. Sicherheitsforscher und Medien haben in der Vergangenheit auch die Datenschutzansprüche des Unternehmens in Frage gestellt.

Trotz alledem behauptet Telegram, dass es die Daten seiner Nutzer schützt, egal ob sie verschlüsselte Chats nutzen oder nicht. In seiner FAQ-Rubrik behauptet der Dienst auch, dass er „0 Bytes an Nutzerdaten an Dritte weitergegeben hat, einschließlich Regierungen bis heute“. Offenbar stimmt das nicht.

Übergabe von Daten an die Regierung

Im Jahr 2018 kündigte der russischstämmige Mitbegründer von Telegram, Pavel Durov, eine Änderung der Datenschutzrichtlinien von Telegram an. Zuvor bestand das Unternehmen darauf, keine Nutzerdaten an Dritte weiterzugeben, änderte aber seine Haltung, als Moskau drohte, die App zu verbieten. Die Änderung kam bei den Nutzern nicht gut an, insbesondere in Ländern mit autoritären Regierungen.

In den Datenschutzbestimmungen von Telegram heißt es jetzt (übersetzt): „Wenn Telegram einen Gerichtsbeschluss erhält, der bestätigt, dass Sie ein Terrorverdächtiger sind, können wir Ihre IP-Adresse und Telefonnummer an die zuständigen Behörden weitergeben. Bislang ist dies noch nie geschehen.“

Auszug aus den Datenschutzbestimmungen von Telegram.
Auszug aus den Datenschutzbestimmungen von Telegram. Quelle: Telegram.org

Dem Bericht des Spiegels zufolge hat Telegram bereits mehrfach Nutzerdaten an das Bundeskriminalamt (BKA) weitergegeben. Deutsche Behörden haben (neben anderen) zahlreiche Male Nutzerdaten von Telegram angefordert. Der Bericht besagt, dass viele Anfragen abgelehnt wurden, Telegram den deutschen Behörden jedoch in einigen Fällen Nutzerdaten zur Verfügung gestellt hat.

Die Informationen, die Telegram herausgab, betrafen Kindesmissbrauch und Terrorismusverdächtige. Die deutsche Regierung setzt Telegram außerdem unter Druck, bei ihren Ermittlungen gegen rechtsextreme Gruppen zu kooperieren, die ihr Anliegen über die App verbreiten.

Obwohl man argumentieren kann, dass Telegram gute Gründe für die Offenlegung hatte, haben Nutzer ihre Besorgnis darüber geäußert, dass dies einen gefährlichen Präzedenzfall darstellen könnte. Autoritäre Regierungen haben in der Vergangenheit ihre Bürger überwacht und unterdrückt, und viele Anti-Regierungs-Aktivisten nutzen Telegram, um der Zensur der freien Meinungsäußerung zu entgehen. Telegram hat auch verschiedene Kanäle und Nutzer gesperrt, zum Teil aufgrund von Drohungen mit einer Sperrung durch Regierungen (die Anordnungen wurden jedoch teilweise widerlegt, beispielsweise in Brasilien).

Telegram informiert seine Nutzer nicht

Zusätzlich zu den nun offensichtlich falschen Behauptungen, dass Telegram keine Metadaten von Nutzern weitergibt, verpflichtet sich das Unternehmen in seinen Datenschutzrichtlinien auch dazu, jegliche Datenweitergaben zu melden. Laut Richtlinie verspricht das Unternehmen, falls es jemals Nutzerdaten weitergibt, diese Informationen in einem halbjährlichen Transparenzbericht offenzulegen. Die Messaging-App hat seit der Gründung des Kanals im Jahr 2018 nichts mehr veröffentlicht.

Telegram scheint seine Nutzer nicht offen über die Handhabung von personenbezogenen Daten zu informieren. Der Bericht des Spiegels offenbart einige Schwachstellen in der Datenschutzpolitik des Unternehmens.

Einen umfangreichen Einstieg zum Thema Privatsphäre im Internet bieten wir in unserem Artikel „Anonym im Internet: So surft ihr geschützt und sicher“. Dort werden neben grundlegenden Informationen auch sichere Messaging-Apps sowie andere vertrauenswürdige Dienste aufgelistet.

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